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Tagebuch - Teil 3

CROSS Magazin bei Halfpro

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Lesedauer: 9 min

Seit 18. Januar sind unsere beiden Teammitglieder Alex und Denis zusammen mit anderen deutschen Reiseteilnehmern auf der Halfpro-Ranch in Perris/CA. Nachdem ihr bereits die ersten beiden Teile ihres Reisetagebuches lesen durftet, folgt nun der dritte und letzte Part.

Montag

"Wenn euch die Freeride-Tour hinterm Haus gefallen hat, dann wird euch Ocotillo Wells das Hirn wegfegen". Wir schenken Jens Uwe Jung mal so nebenbei Gehör, während wir unsere Taschen packen. Stiefel? Check. Helm? Check. Zahnbürste? Ja, auch die "Check", denn heute geht es mit dem Halfpro-PickUp-Trailer raus in die Wüste, Freeriding in den Ocotillo Wells steht auf dem Plan. Und wir wollen bereits heute los, um dann in Ocotillo im Trailer zu pennen, damit wir den ganzen Dienstag fahren können.

"Ocotillo Wells", schon der Name ist so groß, dass einem unweigerlich Freeride-Bilder von den Crusty-Videos, McGrath, Deegan, Windham und der ganzen Saubande im Kopf umherschwirren. Vorher noch kurz in einen Supermarkt gequietscht (amerikanische Einkaufswagen lassen sich übrigens 10x besser fahren als die deutschen Pendants) um uns mit lecker Grill-Gedöns, Bierchen und anderer Verpflegung einzudecken, dann gehts los.

Das Schlechte: Heute hat es in Perris mal zur Abwechslung geregnet (für deutsche Verhältnisse allerdings noch vertretbar). Das Gute: Nach zweieinhalb Stunden Fahrt erwartet uns furztrockene Wüstenluft, von Regen keine Spur. Trocken scheint auch die Kehle von Sven "Big Pump" Kiedrowski. Unglaublich, wie schnell der Kerl auf dem Moped ist. Noch viel unglaublicher ist allerdings, wie schnell und wie viel Wasser er innerhalb von Sekunden schlucken kann. Michaela Schaffrath wäre zu ihren filmischen Hochglanzzeiten wohl neidisch geworden.

Gleich gehts los
Gleich gehts los

Die Dunkelheit bricht langsam ein, doch bevor wir die letzten Kilometer in die Wells  machen, müssen wir noch kurz bei einem Subway stoppen. Denn warum nicht noch ein paar Sandwiches rein drücken (wir fahren schließlich auch in den Sand)? Als wir dann an der Theke unsere Bestellung abgeben, kommt so ein Wüsten-Hillbillie (drei Zähne, irgendwie verteilt auf zwei Kiefer) und identifiziert uns anhand unserer Kleidung sofort als MXer. "Ya guys goin´ for some riiiide?" pfeift er uns in breitestem Akzent durch seine Backen. "Yepp, wie ahr from tschörmänie, itz auer först tripp hier", antworten wir, um dann den Tipp zu bekommen, vorher noch bei der nächsten Tanke anzuhalten, dort gebe es nämlich die Lebensversicherung schlechthin: Erkennungsfähnchen, die man sich ans Bike pinnen muss, damit man in den Dünen leichter gesehen wird. "If you don´t have, the cops will bust up your asses!" will er uns Angst machen. Klappt aber nicht, denn unser Reiseführer Jens bleibt ganz locker und schmunzelt nur relaxed, also sind wir das auch.

Die letzten Kilometer, bzw. Meilen ruckeln wir über eine holprige Zufahrtsstraße in die Nacht und wie es der Zufall so will, läuft auf den letzten Metern ein Lied aus einem der Crusty-Videos in unserem Autoradio. Bevor mir Jens schließlich eine Taschenlampe in die Hand drückt. "Steig mal hier aus und leuchte uns, wir kommen mit dem Trailer nach und fahren hier rein". Da es hier mitten im Outback natürlich stockfinster ist, muss ich an der gefundenen Einfahrt warten und den Trailer einweisen.

Nachdem wir unseren Fuhrpark abgestellt haben, suchen wir erstmal Steine für unsere Lagerfeuer-Stelle. Steine suchen. Im Dunkeln. Schwarze Witwen und Skorpione. Vorsichtshalber kicke ich mal jeden Stein mit dem Fuß um, damit die Viecher wegkrabbeln können, ehe ich berherzt zugreife. "Keine Bange, für Skorpione ist es viel zu kalt und der Biss einer schwarzen Witwe ist auch nicht soooo schlimm", beruhigt Jens. Na dann.

"Früher, da haben wir den Klapperschlangen noch den Kopf abgebissen.."
"Früher, da haben wir den Klapperschlangen noch den Kopf abgebissen.."

Als wir am Lagerfeuer unter freiem Sternenhimmel sitzen haben wir noch keine Ahnung, was uns an gleicher Stelle am kommenden Morgen erwarten wird, wir zischen noch ein Döschen Bud, ehe wir in die neun Kojen im Trailer fallen und pennen (bzw. im Schlaf weitererzählen, gell, Mr. Lier?)

Dienstag

Ich bin recht früh wach, krabbel aus dem Trailer und will eigentlich nur mal eine Stange Wasser in den Wüstensand stellen, als ich vor lauter "Wow" fast vergesse, dass ich Pinkeln muss (oder war es schon zu spät?). Vor mir geht die rote Morgensonne auf und ich blicke auf ein Tal voller Canyons und schroffer Sandfelsen, die Landschaft vor mir ist einfach nur gigantisch weit.

Pssst... sie schlafen noch...
Pssst… sie schlafen noch…

Nach und nach fallen auch die anderen aus den Betten und sind einfach nur sprachlos. Hurtig bauen wir den Frühstückstisch auf und hauen uns Kaffee, Rührei und Brötchen rein. Kennt ihr noch die "Caro – der Landkaffee"-Werbung, wo die Musterfamilie im idyllischen Weizenfeld frühstückt? Genauso kommen wir uns gerade vor, unter freiem Himmel vor der Canyon-Kante das Breakfast einzuschieben.

Könige für einen Tag
Könige für einen Tag

Schon jetzt hat sich der Trip gelohnt, obwohl wir noch keinen Meter gefahren sind. Doch 20 Minuten später ist es soweit und wir steigen auf die Bikes. Enduro-DM-Pilot Florian Ebener und "Big Pump" Kiedrowski können es natürlich nicht lassen und bremsen sich direkt den steilen und felsigen Abhang hinterm Frühstückstisch hinunter. Mit offenem Mund bleiben wir anderen oben stehen, müssen ihn aber gleich wieder zu machen, da der Wind uns ordentlich Dellen ins Gesicht pfeift. Bis zum Nachmittag sogar so heftig, dass der Trailer hin und her geschüttelt wird und wir beschließen, unser Barbeque dann lieber am Abend auf der Halfpro-Ranch abzuhalten.

Flo Ebener auf dem Weg nach unten
Flo Ebener auf dem Weg nach unten

Anyway: Das Fahren in den Canyons ist einfach nur genial, obwohl man natürlich immer ein Auge auf die Felsen, Steine, tiefen Sandstellen und plötzlich auftuenden Löcher haben sollte. Ach ja, wer sich hier nicht auskennt muss das dritte Auge stets nach den Reiseführern richten. In den Canyons verfährt man sich nur allzu schnell, die Gefahr die Orientierung zu verlieren ist recht hoch, wenn man sich nicht auskennt. Man fährt jedenfalls meilenweit ins nichts, bis man mitten im Nirgendwo Telefonzellen (kein Scheiß!), oder an Marterpfahle aufgehängte BMX-Räder findet.

Es ist einfach nur genial, hätten die Bikes 50 Liter Tanks, würden wir wohl tagelang durchfahren. Mit dem wohl fettesten Grinsen der Woche steigen wir am Nachmittag von den Bikes und fahren todmüde zurück nach Perris. Ocotillo Wells? Check.

"Haste mal 40 cent?"
"Haste mal 40 cent?"

Mittwoch

Heute steht für uns Familienbesuch auf dem Plan, kein Geringerer als unser Fotograf Frank "Hoppenator" Hoppen hat uns zum Mountainbikefahren zu sich eingeladen. Spiel & Spaß mit Hoppens? Klingt ganz gut, denken wir noch, als wir nach einer Stunde Autofahrt bei ihm vorfahren. Ein schickes Häuschen hat sich Frank da über die Jahre aufgebaut, und zusammen mit seiner Frau Marie und den Kids Zander, Yannik, Xylena und Hund "Männlein" terrorisieren sie fortan die gesittete Nachbarschaft.

Auch Terry Beal, der ehemalige PR-Manager von Yamaha USA geht mit zum Biken und stellt fest: "Hey Frank, these guys are speaking better english than you do", was Frank mit einem "Fuck that! Die sprechen auch ein besseres Deutsch als ich" abtut.

Ich kaufe ein O, ein P, ein E...
Ich kaufe ein O, ein P, ein E…

Nachdem wir die Bikes vom PickUp geladen haben, gehts am späten Nachmittag los. "Gonna kick some german asses" gibt der freundliche Hoppen seinem Sohnemann Zander noch als letzten Klapps auf den Fahrradhelm mit und ehe wir uns versehen, werden wir komplett von der Hoppengarde verblasen, und zwar nach Strich und Faden. Steile Auf- und Abfahrten, Kakteen, Disteln und zu allem Überfluss noch die ungewohnte Wärme, machen uns zu leichten Opfern, wir haben keine Chance gegen die Hoppens, ganz klarer Heimvorteil für sie.

"Wenn ihr irgendwo stehen- oder liegen bleibt, am besten nicht auf den Rücken legen. Das ist nämlich dann das Zeichen für die Pumas, dass sie euch in die Büsche ziehen dürfen." erwähnt Frank so nebenbei. Pumas? Die kannte ich bislang nur aus dem Schuhgeschäft, ich habe dennoch keine Lust eine der Katzen hier in den Bergen kennen zu lernen und freue mich auf die letzte Abfahrt.

Zander Hoppen. German-Ass-Kicker from SoCal!
Zander Hoppen. German-Ass-Kicker from SoCal!

Bei Sonnenuntergang machen wir den letzten Turn und in einem Mördertempo jagen wir eine Downhill-Sektion hinunter, den schmalen Trail eher vermutend statt wirklich sehend. Diese MTB-Schmach kann ich jedenfalls so nicht auf mir sitzen lassen und ich entdecke in der Garage der Hoppens Gott sei Dank ein altes Schlagzeug. Als alter Drummer zeig ich Hoppen wenigstens hier, wo der Hammer hängt, ich schaffe den Ausgleich und erziele das 1:1 in unserem inoffiziellen Arsch-Tret-Contest. Doch Frank erzielt Minuten später den Endstand von 2:1, als er uns das welbeste Barbeque serviert. Ein kulinarischer Genuss zum Abschied, bevor wir gegen 00.30 Ortszeit mit den Worten "Raus jetzt, ihr Dreckschweine" aus dem Haus gekickt werden. Thanks Hoppenator, it was a pleasure!

Donnerstag

Nach dem BEHB (ihr wisst schon..) am Morgen steht der weitere Plan für den Tag recht schnell: MX fahren! Wir saßen schließlich einen ganzen Tag schon nicht mehr auf den Mopeds, das geht natürlich nicht. Und für heute haben wir uns keinen geringeren Track als den Pala Raceway herausgesucht.

Pala Raceway. Mir klingen noch Villopotos Worte aus 2011 im Ohr ("This Track requires real balls, even on a big 450") und ich spiele meine plötzlich auftretende Aufregung mit dem Simulieren zu heißen Rühreis weg. Der Blick auf das Außen-Thermometer beruhigt mich auch nicht gerade, denn heute ist es bullenheiß, schon am Morgen könnte man locker in der Badebuchse im Pool abhängen. Doch Chillen ist nicht, wir packen die Bikes auf die beiden PickUps und kommen nach rund 45 Minuten Fahrtzeit am Pala Raceway an.

Der Maintrack in Pala
Der Maintrack in Pala

"Das halte ich nie durch", jagt es mir durch den Kopf, als ich schon nach der Hälfte der Anreise meinen halben Wasservorrat aus den Plastikflaschen ausgequetscht habe. Michael "Werki" Werkmeister neben mir hat eine andere Methode und zelebriert feinstes, aber unfreiwilliges Cola-Dosenstechen, nachdem ihm eine Büchse des Zuckerwassers nach einer Bremsaktion am Sitzhalter explodiert. Gelächter, Zuckerwasser im Gesicht. Ich bin dennoch etwas nervös. Als wir auf das Gelände einrollen heißt es schnell Bikes abladen, rein in die Klamotten und dann erstmal Pause machen, denn die Brühe steht uns schon jetzt in den Unterbuchsen, es ist Januar und wir schwitzen wie die Schweine.

Matze hat Spaß
Matze hat Spaß

Pala hat zwei Tracks, auf denen man sich austoben kann: Zum einen einen Vet-Track, der sowohl für die absoluten Vollhonks (Ich bin also auch gefahren), als auch für schnelle Buben gemacht ist. Und dann gibt es da noch einen Main-Track, der dann wirklich die Spreu vom Weizen trennt. Hier trainieren die Pros und beim Anblick des riesigen Step-Ups wird einem auch klar, dass hier keine Gefangenen gemacht werden. Friss oder stirb wenn man die Jumps springen will, zum Teil sandige Landungen und Spurrillen vor den größten Sprüngen lassen einen beim Abfahren die Augen zukneifen und die Luft anhalten.

Ich entscheide mich daher für den Vet-Track und entdecke einen Goonrider (keine Handschuhe, kein Helmvisier, kein Numberplate, aber eine RC-Replica), der sogar noch langsamer unterwegs ist als ich. Es macht immer gleich viel mehr Spaß, wenn man weiß, dass man nicht der Langsamste auf der Strecke ist und so fahre auch ich mich ein.

Der Vet-Track ist wirklich für jedes Niveau. Ja, sogar für meins...
Der Vet-Track ist wirklich für jedes Niveau. Ja, sogar für meins…

Geil. Hier ist wieder absolut jeder happy, für jedes Niveau ist Spaß garantiert. Keine Steine, kaum Spurrillen, man kann es einfach nur nach Herzenslust laufen lassen. Auch hier gibt es Doubles, die man allerdings auch abrollen kann, ohne danach gleich zum Chiropraktiker zu müssen.

Aufgrund der Hitze würde man hier eigentlich Staub erwarten, doch die Streckenbetreiber haben auf dem Track rund sechs Leute platziert, die mit Wasserschläuchen während des gesamten Trainingsbetriebes den Boden bewässern. Und zwar wirklich WÄHREND des Trainings, kommt ein Fahrer angerauscht, wird der Hahn zugedreht, verschwindet er hinter der nächsten Kurve wird wieder nachgewässert. Selbst das Fahrerlager wird hier ständig mit einem großen Truck bewässert, damit sich auch jeder wohl fühlt und keinen Staub fressen muss, wenn jemand durch die Pits fährt. Genial.

"Zep", die hauseigene Security. Don´t mess with him..
"Zep", die hauseigene Security. Don´t mess with him..

Gegen 16 Uhr brechen wir auf, nachdem wir einen unserer PickUps wieder batteriefest gemacht haben ("Do you have a Overbridging-Cable?"). Nach einer kurzen Dusch- und Whirlpool-Session auf der Ranch geht es zu "Sizzlers" einer super Steakhaus-Kette, bei der man sich bereits an der Salatbar satt essen kann. Am Abend trifft sich dann der ganze Sauhafen am Halfpro-Esstisch, um Bilder, Helmkamerarunden und sonstiges per Laptop auszutauschen und den Tag Revue passieren zu lassen. Wer darauf keinen Bock hat, geht einfach ins hauseigene Kino und testet die Belastungsgrenze des monströsen Subwoofers.

Am Pool der Entspannung
Am Pool der Entspannung

Soweit der letzte Teil des Tagebuchs. Wir haben noch ein paar Tage, ehe Anfang kommender Woche wieder unser Flieger in Richtung Deutschland geht, bis dahin stehen für uns noch MX, etwas Sightseeing und Sonnenbaden an. Hier alle Eindrücke nieder zu schreiben würde den Rahmen sprengen, es ist einfach "eine Reise wert", wie es so schön heißt. Ein Urlaub bei HALFPRO ist vielleicht nicht gerade um die Ecke, aber auch nicht unbezahlbar, und vor allen Dingen genial.

Am 29. Januar wird Dominique Thury hier landen und dann wird er sich hier bei den USSX-Rennen in Anaheim 2 und San Diego versuchen, drücken wir ihm die Daumen! So far, Folks. Ich muss nun meine Klamotten packen (wie kalt war in Deutschland gleich nochmal?)

Jens Pohl
Jens Pohl
Online-Redakteur
Fotocredits
  • Alex Daum
  • Matthias Kuntz
Textcredits
  • Alex Daum