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Todesfalle Tagebau - Anschläge auf Offroad-Piloten

Lebensgefahr im Tagebau – Nachgefragt

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Lesedauer: 4 min

Wie CROSS Magazin bereits am vergangenen Freitag berichtet hatte, kam es im Tagebaugebiet rund um die südbrandenburgische Gemeinde Schipkau vermehrt zu Unfällen durch quer über die Wege gezogenen Stacheldraht. Die Wege werden unter anderem von Offroad-Piloten befahren. CROSS Magazin hat sich schlau gemacht und mit Attila Damm (34) den Sport- und Jugendwart vom ortsansässigen MSC Hörlitz e.V. befragt, welcher das Treiben schon seit gut drei Jahren beobachtet.

„Vor gut drei Jahren bin ich selbst in solch einen Stacheldraht gefahren“, sagte er gleich zu Beginn unseres Treffens. „Im Laufe der Jahre hat sich das nun vermehrt und es sind mittlerweile einige Piloten, denen gleiches widerfahren ist. Angefangen hatte es, als man im Tagebaugelände mit der Sanierung fertig war und ein Jagdpächter das Gebiet übernommen hat.“ Waren die Stacheldrahtfallen am Anfang „nur“ im Bereich Kostebrau zu finden, so sind jetzt fast alle von den Motocross- und Enduro-Piloten eingefahrene Runden betroffen. Und davon gibt es hier so einige im Tagebau. „Zu DDR-Zeiten hatten wir hier mit dem Rennen »Rund um die Braunkohle« eine riesige Veranstaltung. Die Runde war um die 85 bis 100 Kilometer lang. Und auch heute sind noch große Teile der Strecke erhalten“, so Damm.

Aber nicht nur einheimischen Offroad-Piloten sind im Tagebau unterwegs. Auch Fahrer aus der Deutschen Motocross- bzw. Enduro-Meisterschaft und von weiter weg kommen hierher, um zu fahren. „Es sind vor allem viele aus den »neuen Bundesländern« hier unterwegs. Früher gab es sogar geführte Touren. Das ganze wurde damals vom »Enduroland« organisiert und war offiziell.“

Schlimm erwischt hatte es auch Thomas Kling. Er war damals mit einem Kumpel unterwegs, als ihn ein Stacheldraht genau am Hals erwischte. Plötzlich war überall Blut. Zum Glück reagierte sein Kumpel schnell, fuhr zu einer naheliegenden Straße und holte Hilfe. Kling musste mit dem Helikopter abgeholt, vom Notarzt behandelt und später auch operiert werden. Nur äußerst knapp ging der Schnitt des Stacheldrahts an der Luftröhre und Schilddrüse vorbei. Zum Glück hatte er ein Neck Brace an, das wahrscheinlich Schlimmeres verhinderte. Ganze fünf Wochen war er aufgrund der Verletzung arbeitsunfähig. Wer weiß was passiert wäre, wenn er allein unterwegs gewesen wäre?

In der jüngsten Vergangenheit wurden immer mehr Fallen gefunden. Nicht nur dass Stacheldraht gespannt wird. Auch Nagelbretter, welche mit Gewindestangen bis zu einen Meter in der Erde verankert sind, kommen immer öfter zum Vorschein. Selbst Fallgruben mitten in einer Wellensektion gibt es. „Wer die nicht früh genug sieht, hat es erlebt“, berichtet Attila Damm. Auch von Baum zu Baum gespannte Angelsehne wurde schon gesehen. „Klar wissen wir, dass wir da nicht fahren dürfen. Aber das ist nicht normal. Es sind schließlich auch jede Menge Pilzsucher im Wald unterwegs und auch Kinder fahren ab und an mit ihren BMX Rädern dort. Nicht auszudenken was da alles passieren kann und auch schon ist.“

Mittlerweile ist auch die Kriminalpolizei eingeschaltet worden. Kevin Hornig aus Schipkau ist Hobbyfahrer und hatte Mitte September Bekanntschaft mit dem Stacheldraht gemacht. Ihm hat es beide Arme aufgeschnitten und das Helmschild weggebrochen. Brustpanzer, Fahrerhemd und auch das Bike wurden zerstört. Er erstatte Anzeige gegen Unbekannt, auch wenn er weiß, dass er dort eigentlich nichts zu suchen hat: „Ich habe mit der Polizei gesprochen. Wir bekommen selbst erst einmal eine mündliche Verwarnung. Sollten sie uns aber sozusagen auf frischer Tat beim Fahren erwischen bekommen wir auch eine saftige Strafe. Zuerst gibt es einen Platzverweis. Sollten sie uns daraufhin noch einmal erwischen ein Bußgeld. Beim dritten Mal verstehen dann aber auch sie keinen Spaß mehr und wir müssen mit einer saftigen Geldstrafe rechnen. Ich denke aber mal, dass das Befahren mit Sicherheit nicht das Selbe ist, wie das was dieser Irre hier macht mit dem Draht und all den anderen Sachen. Das ist doch Totschlag. Wir treiben Sport und was der macht ist Mord.“ Die Staatsanwaltschaft Cottbus hat sich nun auch dieses Falls angenommen, sie ermittelt wegen versuchten Totschlags.

Attila Damm, Sport- und Jugendwart vom ortsansässigen MSC Hörlitz, zeigte uns einige der gefunden Fallen.
Attila Damm, Sport- und Jugendwart vom ortsansässigen MSC Hörlitz, zeigte uns einige der gefunden Fallen.
Das Tagebaugebiet um Schipkau kann auf eine lange Enduro-Tradition verweisen.
Das Tagebaugebiet um Schipkau kann auf eine lange Enduro-Tradition verweisen.
Die weitläufigen Sandwege sind ein Eldorado für Offroad-Piloten.
Die weitläufigen Sandwege sind ein Eldorado für Offroad-Piloten.
Tief im Erdboden verankerte Nagelbrett-Fallen kommen immer öfter zum Vorschein.
Tief im Erdboden verankerte Nagelbrett-Fallen kommen immer öfter zum Vorschein.

Wir bleiben natürlich weiter für euch an der Sache dran und werden berichten, sobald neue Erkenntnisse vorliegen. Bis dahin seid vorsichtig, wenn Ihr in euren Wäldern – egal ob zu Fuß oder auf dem Fahrrad – unterwegs sein solltet. Man weiß nie, wo es noch solche kriminelle Irre gibt.

Jens Pohl
Jens Pohl
Online-Redakteur
Fotocredits
  • Lars Neumann
Textcredits
  • Lars Neumann