Der Kampf um die Titel stand bei dem am vierten Septemberwochenende im südenglischen Matterley Basin ausgetragenen letzten Rennen der FIM Motocross-Weltmeisterschaft 2023 definitiv nicht mehr auf der Agenda. Trotzdem freuten sich viele Fahrer auf den MXGP of Great Britain, da der nahe Winchester in der Grafschaft Hampshire gelegene Rundkurs bei den Fahrern sehr beliebt ist.
Im Focus des deutschen Interesses standen beim WM-Finale vor allem die Wettbewerbe der Viertelliterkategorie MX2, denn in dieser hatte der Oberfranke Simon Längenfelder noch intakte Chancen, Vizeweltmeister zu werden. Dabei lieferten sich vor allem Jago Geerts und Längenfelder spannende Kämpfe um Meisterschaftszähler, um zu entscheiden, welcher Name letztlich als Zweiter in der finalen Punktetabelle gelistet wird. Bei den „Big Boys“ der Klasse MXGP standen hingegen die drei Medaillenplätze bereits Matterley Basin fest. Doch auch hier hielt es keinen Fahrer davon ab, ein letztes Mal alles für den GP-Sieg zu geben.
Tim Gajser: „Damit habe ich für die Winterpause das nötige Selbstvertrauen.“
Der MXGP-Weltmeister 2022 Tim Gajser, der aufgrund einer Oberschenkelfraktur nur die letzte acht der insgesamt neunzehn Grands Prix am Start war, hatte im ersten Wertungslauf eine gute Reaktion und begann das Rennen auf Platz drei. Zunächst rutschte er nach einem Sturz von Jorge Prado (GASGAS) vor auf Platz zwei, von wo aus er schnell Druck auf den Führenden Glenn Coldenhoff (Yamaha) ausübte. Wenige Runden später ging er mit Hilfe eines sauber ausgeführten Blockpasses in Führung. Niemand konnte dem Honda-Werkspiloten anschließend mehr gefährlich werden und so gewann er das erste Rennen. Gajser begann den zweiten Durchgang als Dritter, übernahm nach Prados Sturz Platz zwei und führte in Runde drei das entscheidende Überholmanöver durch. Ab diesem Manöver unangefochten holte Gajser auch den zweiten Laufsieg und insgesamt den Tagessieg.
„Es ist gut, die Saison mit einem weiteren Grand-Prix-Sieg zu beenden. Damit habe ich für die Winterpause das nötige Selbstvertrauen. Für nächstes Jahr hoffe ich, dass ich wieder von Anfang an vorn dabei sein kann, um mit den anderen Jungs um den Titel zu kämpfen.“
Jeremy Seewer: „Ich bin froh, dass ich zwei solide Rennen hatte, trotz meinem gestrigen Sturz, bei dem ich mir eine Schnittwunde am Ellbogen zugezogen habe.“
Der “Noch”-Yamaha-Werksfahrer Jeremy Seewer kam beim Start zum ersten Wertungsrennen nicht gut aus dem Gatter, mogelte sich aber wenige Kurven später auf den vierten Platz vor. Zu Anfang verlor er den Anschluss an die Führenden, war aber in der Lage in der zweiten Rennhälfte ein paar Sekunden auf der Strecke zu finden. Kurz vor Schluss überholte er seinen Teamkollegen Glenn Coldenhoff und holt so Platz zwei. Auch nach dem Start zum zweiten Moto wurde Seewer zunächst nicht in den Top Drei geführt, pushte aber von Beginn an und ging schnellstmöglich am bis dato auf der dritten Position fahrenden Ruben Fernandez (Honda) vorbei. Nur wenige Kurven später gewann er den Zweikampf mit Coldenhoff und übernahm dessen zweiten Platz. Gegen Ende war dann aber beim Schweizer etwas die Luft raus und er verlor zwei Positionen an Romain Febvre (Kawasaki) und Fernandez. Am Ende reichte es aber für Tagessrang zwei.
„Heute war ein guter Tag. Er war solide. Ich bin froh, dass ich trotz meinem gestrigen Sturz, bei dem ich mir eine Schnittwunde am Ellbogen zugezogen habe, zwei solide Rennen hatte. Die Wunde war noch von einem Sturz am letzten Wochenende. Dabei bin ich ziemlich hart auf den Boden aufgeschlagen. Deswegen befürchtete ich, dass es heute sehr hart für mich werden würde, und das war es auch. Ich wollte einfach nur überleben, und das ist mir wirklich gut gelungen. Es war schade, dass ich am Ende des zweiten Rennens den dritten Platz verloren habe, aber das war für Tageswertung nicht wichtig. Ich bin froh, dass ich dieses Jahr gut abschließen konnte, und freue mich jetzt auf das Nations.“
Romain Febvre: „Mit meinem Speed war ich zufrieden.“
In England spielten sich für Romain Febvre eher ungewöhnliche Bilder ab. Febvre kam beim Start zum ersten Moto gut aus dem Gatter, kam sich aber mit einem anderen Fahrer ins Gehege und fiel auf Platz sechs zurück. Zu Prado, Seewer, Coldenhoff und Gajser fand der Franzose nachfolgenden keinen Anschluss mehr und beendete Lauf eins nur als Fünfter. Auch in Lauf zwei liefen die Dinge für Febvre nicht gut. Ein weiteres Mal begann er das Rennen außerhalb der Top Fünf. Wie Seewer fuhr auch Febvre erst an Fernandez vorbei auf Platz vier vor. Anschließend holte er sich auch noch Coldenhoff und Seewer und beendete das Rennen letztlich als Zweiter.
„Ich habe mich heute sehr wohl gefühlt und hatte einen wirklich guten Start im ersten Rennen, aber in der ersten Kurve berührte ich jemanden und fiel auf den sechsten Platz zurück. Ein paar Runden später rutschte mir in einer Kurve das Hinterrad weg. Ich verlor etwas Zeit, aber fand in meinen Rhythmus zurück und beendete das Rennen mit weniger als sechs Sekunden Rückstand auf den Sieger. Mit meinem Speed war ich zufrieden. Im zweiten Durchgang überholte ich die anderen Jungs und wurde Zweiter. Tim war bereits zu weit weg, aber ich war froh, den Tag wieder auf dem Podium zu beenden. Im ersten Quartal des Jahres waren meine Ergebnisse in Ordnung, aber ich verpasste jede Woche nur knapp das Podium. Ab Mitte der Saison war ich dann konstant mit GP-Siegen und Podiumsplätzen dabei. Ich hatte mehr GP-Siege als jeder andere, darunter fünf in Folge und jetzt zwei Vize-Weltmeistertitel mit Kawasaki. Ich will weiter daran arbeiten, nächstes Jahr noch besser zu werden.“
Jorge Prado: „Diese Saison war ein wahr gewordener Traum.“
Der diesjährige MXGP-Weltmeister Jorge Prado hatte beim letzten Grand Prix der Saison Probleme. Im ersten Lauf stürzte er nach nur für Umläufen auf Platz zwei fahrend und fiel fürs erste zurück ins Mittelfeld. Danach kämpfte er sich im weiteren Renngeschehen zurück auf Platz vier. Im zweiten Moto stürzte er in der ersten Kurve nach der Holeshotlinie beim Versuch, Coldenhoff die Führung abzunehmen. Dabei ging er zu Boden und beendete das Rennen nur als 18.
„Es war schön, ein Rennen zu fahren und nicht an die Meisterschaft zu denken! Ich konnte den Moment genießen. Diese Saison war ein wahr gewordener Traum. Ich danke dem Red Bull GASGAS Factory Racing Team für all die harte Arbeit in diesem Jahr. Wir haben das gemeinsam geschafft.“
Jago Geerts: „Dieses Wochenende war nicht einfach.“
Jago Geerts (Yamaha) kam im ersten Lauf gut aus dem Gatter. Nach nur wenigen Kurven wurde der Belgier bereits auf Platz vier geführt. Er profitierte von einem frühen Fahrfehler des diesjährigen Weltmeisters Andrea Adamo (KTM) und rückte vor auf Position drei vor. Das ganze Rennen über startete er mehrere Überholversuche, um an seinem Teamkollegen Thibault Benistant vorbeizugehen. Diese blieben aber erfolglos und Geerts begnügte sich zunächst mit einem dritten Platz. Der Mann mit der Startnummer #93 kam in Lauf zwei nicht gut aus dem Gatter und hatte zu Beginn damit zu kämpfen, sich auf der Strecke zurechtzufinden. Ab Runde drei startete er aber eine Aufholjagd. Erst zog er Simon Längenfelder (GASGAS) vorbei, in Runde vier dann an Liam Everts (KTM), anschließend an Adamo und am Ende übernahm er von Kay De Wolf (Husqvarna) die Führung. Mit den Rängen drei und eins aus beiden Wertungsrennen stand Geerts bei seinem letzten GP als MX2-Pilot noch einmal auf dem obersten Treppchen des Tagespodiums und sicherte sich letztlich einmal mehr die Vizeweltmeisterschaft.
„Ich bin stolz auf das, was ich heute geleistet habe sowie auf meine gesamte Saison. Ich erlitt zwei Verletzungen und es war trotzdem eine gute Saison für mich. Dieses Wochenende war nicht einfach, aber am Ende, besonders im zweiten Rennen, fühlte ich mich gut auf dem Motorrad und auf der Strecke. Ich gewann das zweite Rennen. Es ist schön, meine MX2-Karriere mit einem Sieg zu beenden. Jetzt freue ich mich darauf, in die 450er-Klasse zu wechseln, die ich bereits beim Motocross der Nationen fahren werde, und hoffentlich werde ich nächstes Jahr eine gute Saison haben.“
Simon Längenfelder: „Es ist nie einfach, nach einer Verletzung zurückzukommen.“
Das Wochenende begann für den deutschen Red Bull GASGAS-Piloten Simon Längenfelder eigentlich perfekt. Am Samstag entschied er das Qualifikationsrennen zu seinen Gunsten und sicherte sich damit die Poleposition für die beiden Wertungsläufe. Am Sonntag sicherte er im ersten Wertungslauf mit seinem elften Holeshot in dieser Saison die frühe Führung, die er nachfolgend bis ins Ziel nicht mehr abgeben sollte. Dabei wurde er die kompletten 30 Minuten plus zwei Runden konstant von Benistant und Geerts unter Druck gesetzt, rettete aber am Ende den Laufsieg über die Ziellinie. Im zweiten Lauf hatte der Deutsche einen durchwachsenen Start. Die erste Runde ging es für den Oberfranken zwischen Platz vier und sechs vor und zurück, doch letztlich profitierte er von Sascha Coenens Sturz und nahm Platz drei vier ein. Sein Konkurrent Geerts überholte ihn jedoch bereits nach zwei Umläufen. Zwar kam Längenfelder später noch an Everts vorbei, aber am Ende nicht über Rang vier hinaus. Dies reichte in Summe zwar noch für eine weitere Podiumsplatzierung in der Tageswertung, aber in der Meisterschaft leider nur für den bronzenen Medaillenrang.
„Ich habe das Qualifikationsrennen und den ersten Wertungslauf gewonnen. Der zweite Wertungslauf war aber nicht gut. Es ist nie einfach, nach einer Verletzung zurückzukommen, also bin ich froh, dass ich es geschafft habe und Dritter in der Meisterschaft wurde. Jetzt freue ich mich auf das Motocross of Nations und dann werden wir uns auf 2024 konzentrieren.“
Andrea Adamo: „Die ganze Saison war eine Herausforderung.“
Der frisch gebackene Weltmeister Andrea Adamo machte am Sonntag weiter, wo er Samstag aufgehört hatte. Nach einem guten Start nahm er als Zweiter die Verfolgung von Längenfelder auf. Dabei kam Adamo von der Strecke, konnte aber einen Sturz verhindern und fuhr als neuer Vierter zurück auf die Strecke. Von da an sollte Adamo das Rennen über auf Platz vier verweilen und so auch als Vierter das Ziel erreichen. Im zweiten Lauf machte Adamo in der ersten Runde viele Meter gut und verbesserte sich schnell auf Platz zwei. Viele Runden hielt er den Platz, doch am Ende musste er sich dem einem drängenden Geerts geschlagen geben. Dadurch kam Adamo nur als Dritter ins Ziel. Sein 4-3-Resultat reicht am Ende aber für den dritten Tagesrang.
„Ich brauche noch ein paar Tage, um über die letzte Woche nachzudenken. Sie war sehr kurz! Im Moment bin ich wirklich glücklich. Die ganze Saison war eine Herausforderung, fast zwanzig Rennen zu fahren. Ich war der konstanteste Fahrer und das hat mir wirklich geholfen, mein Ziel zu erreichen. Für das nächste Jahr werden wir einen guten Plan machen, hoffen auf einen guten Winter und wollen 2024 stärker sein.“
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