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Sicherheitsdiskussion

Braucht es mehr Sicherheit im Supercross?

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Lesedauer: 9 min



Supercross ist und bleibt eine gefährliche Sportart, das ist Fakt. Saison für Saison ist es fast schon normal geworden, dass viele der Top-Favoriten, die zur ersten Runde in Anaheim am Start stehen, im Verlauf des Jahres zu irgendeinem Zeitpunkt verletzungsbedingt ausfallen.

Die Zahl der Ausfälle stieg allerdings augenscheinlich in den letzten Jahren immer weiter an. Spätestens mit der SX-Saison 2023 sollte das Thema Sicherheit im Supercross wieder im Mainstream angekommen sein. Dort dezimierte sich das Fahrerfeld der 450er-Kategorie so stark, dass man in den letzten Rennen die Zahl der Werksfahrer an einer Hand abzählen konnte. Doch woran liegt das? Warum gibt es immer mehr Verletzungsausfälle und welche Maßnahmen können dahingehend von den Organisatoren getroffen werden, um diese zu minimieren? In diesem Artikel schauen wir uns die möglichen Gründe etwas genauer an und gehen auf die Optimierungen ein, die dem Sport ein wenig mehr Sicherheit geben könnten.

Mit der Zeit gehen:

Das erste Argument, was immer wieder in diesem Zusammenhang gebracht wird, sind natürlich die modernen Motorräder. Als Supercross als Sport noch in seinen Kinderschuhen steckte, unterschied sich vieles von dem Konzept, was bei uns Winter für Winter für die Samstagabend-Unterhaltung sorgt. Nicht nur die Strecken waren ganz anders, sondern auch die Motorräder. Einfach gesagt, sind die Größe der Stadien und Strecken kaum noch für die Power der Motorräder ausgelegt. SMX-Sieger Jett Lawrence sagte beispielsweise bei „TheMotoAcadamy“, dass ihm die Standart-Honda CRF-450 „zu schnell“ wäre und er bei seinem Racebike eher Power wegnehmen würde.

Die neuen Motorräder haben einfach enorm viel Kraft, egal ob bei hoher- oder niedriger Drehzahl und so sind zum Beispiel Sprünge, wie große Triples, die für die Fahrer früher eine Herausforderung waren, heute eher ein Kinderspiel. Das bringt weitere Probleme mit, auf die wir gleich noch eingehen werden, aber vor allem bedeutet das eines: Die Strecken mussten schwieriger werden, um den Fahrern eine Möglichkeit zu geben, trotzdem einen Unterschied machen zu können.

Die Strecken:

Im Verlaufe der Jahre wurden die Strecken also immer anspruchsvoller und technischer. Die Rythmsections häuften sich mehr und mehr und von dem ursprünglichen Supercross, bestehend aus Geraden, Kurven und teilweise Triple-Sprüngen, sowie Tabletops, wurde das heutige Supercross. Bis auf die Startgerade, gibt es eigentlich keine Stellen mehr auf der Strecke, wo die Fahrer nicht entweder in der Kurve sind, oder in der Luft. Die Racetracks sind überzogen von Rythmsections, die wieder und wieder ineinander übergehen. Schließlich ist es ja genau das, was Supercross ausmacht, oder?

Doch das bedeutet auch, dass den Fahrern nach einem Fehler oft kein Raum bleibt, um diesen auszugleichen, da direkt wieder die Anfahrt zum nächsten Sprung beginnt. Ein kleiner Fehler im Absprung, der beim Motocross leicht in der Landung ausgeglichen werden kann, bedeutet dadurch im Supercross oft direkt einen Sturz. Um die Zuschauer zu unterhalten und für geile Rennaction zu sorgen, versucht man außerdem die Sektionen oft technisch immer anspruchsvoller zu machen. Erneut sollte hier gesagt sein, dass das in den meisten Fällen die Qualität des Racings verbessern kann und den Fahrern die Möglichkeit gibt, die entscheidenden Hundertstel gegenüber der Konkurrenz herauszuholen.

Teilweise schießen die Trackbuilder aber auch über das Ziel hinaus und bauen Sprünge, die förmlich danach schreien, dass sich jemand verletzt. Ein Beispiel hierfür wäre der übergroß geratene Triple von Atlanta 2022, der nach mehreren Stürzen im Pressday, kurzerhand für die Rennen wieder von der Strecke entfernt wurde. Solche Sprünge ziehen auch noch einen anderen Effekt mit sich. Sobald einer der Top-Favoriten eine große Kombination, wie einen „Quad“ (Vierersprung) springt, wirft es die anderen Fahrer automatisch in ein „do or die“ Szenario: Entweder du springst auch diese Sektion, oder du hast bereits kaum noch eine Chance auf den Sieg. Das Prinzip des „höher, schneller, weiter“ wird damit auf ein neues Level gehoben und mit diesem höheren Niveau sehen wir auch mehr Stürze.


Doch wie bereits beschrieben, sind es genau diese anspruchsvollen Sektionen, die die besten Fahrer der Welt, von dem Rest separieren und uns Zuschauern beste Rennaction liefern. Die Rythmsections also zu vereinfachen, würde vielleicht das Sturzrisiko verringern, wäre aber wahrscheinlich eher nicht sinnvoll. Es gibt dennoch Sektionen, die einfach unnötiges Risiko mitbringen und daher von den Streckenbauern eher gemieden werden sollten – und darauf hat Feld Entertainment in diesem Jahr auch reagiert.


Bis zur letzten Saison waren „Dragonbacks“ noch ein fester Bestandteil einer Supercross Strecke, doch mit immer häufigeren Crashes und immer heftigeren Verletzungen an genau dieser Sektion, entschied sich Feld dazu, die Dragonbacks vorerst aus den Strecken herauszunehmen. Vor allem die schlimmen Stürze im letzten Jahr in Nashville, wo sich unteranderem Justin Barcia verletzte, waren dort ein ausschlaggebender Faktor. Es gibt also durchaus Sektionen, die in einer bestimmten Form nichtmehr gebaut werden sollten, weil es in der Vergangenheit zu oft zu Stürzen an diesen Stellen der Strecke kam. Dazu wurde in diesem Jahr ein neues Sicherheitskonzept vorgestellt, bei dem die jeweiligen Stellen der Strecken, wo es in den letzten Jahren am häufigsten zu Stürzen kam, genauestens analysiert worden. So konnten dann die größten Gefahrenstellen herausgefunden werden und die Strecken in diesem Jahr wurden dementsprechend angepasst. In unseren Augen definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, um unnötiges Verletzungsrisiko zu minimieren. Doch oft sind es nicht die Strecken an sich, die zu Stürzen führen, sondern die Art, wie sie sich ausfahren.

Rillen, Kanten, Wellen: 

Damit wären wir wieder bei dem ersten Punkt angelangt: Die modernen Motorräder. Wer schonmal eine Supercross-Strecke nach einem Rennen gesehen hat, der weiß, mit was es die Fahrer zu tun haben. So wird die bereits technisch anspruchsvolle Strecke durch tiefe Rillen und abgefahrene Absprünge noch anspruchsvoller. Vor allem auf Strecken mit eher weicheren Böden, wie Indianapolis oder Arlington wird das technische Level, auf dem sich die aktuellen SX-Strecken bewegen, so richtig deutlich. Bedingt ist das zum einen durch die Power der Bikes, aber auch durch das hohe Level der Fahrer.

Die Breite des Fahrerfeldes ist mittlerweile viel höher, als noch vor 20 Jahren. Jeder der Fahrer ist in der Lage die großen Sektionen zu springen oder durch das Waschbrett zu rattern. Umso schneller fährt sich dadurch natürlich auch die Strecke aus und das sorgt dann oft für eine hohe Quote von Unberechenbarkeit beim Fahren. Das ist auch der Grund warum die meisten heftigen Stürze eher gegen Ende eines Mainevents passieren. Denn da ist die Strecke am ausgefahrendsten und die Fahrer gleichzeitig körperlich und mental am schwächsten. Die Dragonbacks beispielsweise wurden den Fahrern meistens auch nur zum Verhängnis, weil sie so ausgefahren waren, dass die Piloten den letzten Whoop nicht überspringen konnten, ihn mit dem Hinterrad berührten und so über den Lenker gingen.

Dagegen getan werden kann eigentlich relativ wenig. Die Strecken werden bereits in den Pausen von der Trackcrew so gut es geht wieder hergestellt und dennoch reichen 20 Minuten Mainevent vollkommen aus, um eine Autobahn in die Hölle auf Erden zu verwandeln. Es wird sich zeigen, welche Optionen sich in den nächsten Jahren diesbezüglich noch ergeben könnten. Beispielsweise die Wahl des Dirts könnte hierbei eine entscheidende Rolle spielen. 

Rennsimulation im Training:

Von den Verletzungen während der Saison abgesehen, schaffen es viele Fahrer erst gar nicht zum ersten Rennen aufzutauchen. Im Beispiel von Star Racing Yamaha verletzten sich drei von vier angesetzten Fahrern in der Saison 2022 bereits in der Vorbereitung – und das ist kein Einzelfall. Verletzungen in der Saisonvorbereitung treten tatsächlich sehr häufig auf und sind oft der Grund, warum beispielsweise Teams ihre Fahrer in der 250er-Klasse in einer anderen Küste antreten lassen, als ursprünglich geplant. Nicht zuletzt war es zum Beispiel Haiden Deegan, der sich in der Saisonvorbereitung am Handgelenk verletzte und so fast den Ostküstenauftakt verpasste, doch wo liegt der Grund dafür? Interessant ist, dass wenn man sich die Preseason-Verletzungen etwas genauer anschaut, auffällt, dass diese meistens in Teams auftreten, die mit vielen Fahrern gemeinsam trainieren.

Wenn wir beim Beispiel von Star Racing bleiben, so zogen sich in dieser Saisonvorbereitung vier der acht Fahrer in der 250er-Klasse eine Verletzung im Training zu. Dieses Training besteht hier hauptsächlich aus Rennsimulationen mit dem gesamten Team. Ein Konzept, welches Star Racing Yamaha zu einem echten Powerhouse hat werden lassen und den Fahrern in den richtigen Rennen viel Ruhe und Gelassenheit gibt. Allerdings setzt es die Fahrer dafür im Training unter dauerhaften Druck, schneller als der jeweilige Teamkollege zu sein und führte augenscheinlich dazu, dass die Verletzungsrate extrem stieg. Ein Erfolgskonzept also, welches gleichzeitig seinen Tribut fordert, aber definitiv ein nachvollziehbarer Grund für die hohe Verletzungsrate im Yamaha-Team seien könnte.

Wie wird mit Verletzungen umgegangen?

Doch Verletzungen gehören in unserem Sport nunmal einfach dazu. Egal wie viel an der Strecke verbessert wird, oder die Trainingsbedingungen angepasst werden, es wird immer Stürze und Verletzungen geben. Viel wichtiger ist jedoch, wie damit umgegangen wird. Ein stetiger Begleiter beim SMX ist die „Alpinestars-Medical-Crew“. Das ist eine spezielle Einheit aus den stetig gleichen Ärzten und Helfern, die die Fahrer das ganze Jahr über an der Strecke begleiten. Das ist sehr wichtig, denn diese kennen den Sport und wissen, wie mit den Fahrern umgegangen werden muss. Vor allem bei Verletzungen am Nacken und am Rücken ist Fingerspitzengefühl gefragt und jeder kleinste Fehler kann furchtbare Folgen für den gestürzten Fahrer mit sich bringen. Es ist also unglaublich wichtig, dass dort die richtigen Personen die richtigen Entscheidungen treffen, doch das ist nicht immer der Fall.


Letzte Woche in Arlington hatte der Red-Plate-Inhaber in der 250er-Klasse, Austin Forkner, einen der schlimmsten Stürze in der Supercross-Historie. Nachdem er die Kontrolle über sein Bike verlor, schlug er von einer Höhe von ungefähr drei Metern mit dem Rücken zuerst auf den harten Beton ein. Anstatt nun allerdings, aufgrund möglicher ernsthafter Wirbel- oder Genickverletzungen, Forkner auf einer Trage aus dem Stadion zu bringen, entschied sich die Medical-Group dazu, Forkner aufstehen zu lassen, damit dieser selbst aus dem Stadion herauslaufen konnte. Die Bilder im TV zeigten ihn anschließend in Tränen und unter extrem starken Schmerzen an der Hand der Sanitäter das Stadion verlassen. Klar ist das ein tolles Zeichen nach außen hin und zeigt, wie stark Forkner sowohl mental, als auch körperlich drauf ist und im Endeffekt scheint der 25-jährige durch Glück im Unglück auch noch relativ glimpflich davongekommen zu sein.

So eine Aktion kann allerdings auch stark nach hinten losgehen. Das zeigt das traurige Beispiel von Brian Moreau. Der junge Franzose war jahrelang in der EMX und Weltmeisterschaft unterwegs, bevor er sich 2020 dazu entschied, in die USA zu gehen und sich seinen Traum vom Supercross zu erfüllen. Bei seinem ersten Rennen in Tampa crashte er dann im Training in der Sandsektion und landete mit dem Kopf zuerst auf dem Boden. Das Training wurde anschließend weiter durchgezogen, während sich die Medical-Group um den jungen Franzosen kümmerte. Laut Aussagen von Moreau sollen diese weder sein Genick, noch seinen Rücken stabilisiert haben und waren nur damit beschäftigt, ihn schnellstmöglich von der Strecke zu befördern, um das Training nicht zu behindern. Eine Aktion, die schwerwiegende Folgen hatte, denn Moreau ist seit diesem Tag querschnittsgelähmt. Ob nun direkt durch seinen Sturz bedingt, oder durch die fehlende Stabilisierung der Helfer, bleibt fraglich.

Doch daraus lernen sollte man eigentlich, dass die Sicherheit der Fahrer immer an erster Stelle stehen sollte, was an diesem Tag scheinbar nicht der Fall war. Ein weiteres Negativbeispiel wäre auch der wohl allen bekannte, spektakuläre Crash von Cameron McAdoo in Atlanta 2021. Nach dem Neustart war es McAdoo erlaubt, wieder an dem Rennen teilzunehmen. Eine Entscheidung, die wohl nie hätte durchgesetzt werden dürfen. Überschüttet von Adrenalin beschwichtigte der Kawasaki Pilot unzählige Male die Ärzte, dass es ihm gut ginge und dass er doch Fahren könne. Diese ließen ihn schließlich antreten und glücklicherweise ist es gut für ihn ausgegangen, aber auch diese Aktion hätte schnell nach hinten losgehen können.

Nach so einem Sturz sollte der Fahrer unbedingt medizinisch durchgecheckt werden, vor allem im Kopfbereich hätte Cameron durchaus Schäden davontragen können, die er in dem Moment nicht sofort gemerkt hätte. Wäre bei dem folgenden Neustart des Rennens wieder etwas mit ihm passiert, hätte es zu einer Tragödie werden können und demnach kann man auch hier nur von Glück reden, dass nichts weiter geschah. Die Alpinestars-Medical-Crew hat, trotz eines bereits sehr guten Ansatzes, noch viele kleine Dinge, die definitiv behoben werden müssen, um die Sicherheit der Fahrer zu gewährleisten. 

Fazit:

Doch was bedeutet das jetzt für die Sicherheit im Sport und wie löst man die Probleme der Verletzungen? Wie man in diesem Artikel bereits gemerkt hat, gibt es auf diese Fragen keine leichten Antworten. Stürze gehören zum Sport einfach dazu und mit ihnen auch die Verletzungen. Es geht mehr darum, das mögliche Risiko so klein wie möglich zu halten und dort ist Feld bereits auf einem sehr guten Weg. Von einem anderen Aufbau der Strecken, bishin zu mehr Streckenpräparation, versucht man bereits vieles, um den Fahrern zu helfen.

Hier gibt es noch unzählige Ansätze, die wir in den nächsten Jahren vielleicht auch in der Realität sehen werden. Beispielsweise ein Umdenken in Sachen „Tuff Blocks“ oder das mögliche Auslegen von Matten auf den unbefahrenen Betonteilen der Strecken sind durchaus vorstellbar. Viel wichtiger ist aber der Umgang mit den Fahrern, wenn es zu einem schweren Sturz kam. Hier sollte immer der Fahrer an erster Stelle stehen. Seit dem Moreau-Vorfall 2020 sehen wir viel häufiger rote Flaggen, um den Sanitätern einen leichteren Zugriff zu dem verletzten Fahrer zu ermöglichen und auch das ist ein sehr guter Schritt.

Und doch schwebt manchmal immernoch ein ungutes Gefühl mit, wenn ein möglicher Abbruch nicht zu Stande kommt, weil er vielleicht gerade nicht in das spannende Renngeschehen oder den engen TV-Zeitplan passt. Es bleibt zu hoffen, dass sich Feld in dieser Hinsicht weiterhin verbessert und genau an den Problemstellen ansetzt, die bereits bekannt sind.

Doch was sagt ihr zu dem Thema Sicherheit im Supercross? Habt ihr konkrete Vorschläge, die zu mehr Sicherheit für die Fahrer führen können? Und was haltet ihr von den bisherigen Strategien seitens Feld-Entertainment? Teilt uns eure Meinung gerne mit!

Julian Kehr
Fotocredits
  • Red Bull Content Pool
Textcredits
  • Julian Kehr

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